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Channel: psychiatrie – Psiram
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Causa Mollath – Verschwörung oder Wahn

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Für einen Psychiater gehört es zur täglichen Arbeit, mit anzusehen, wie psychisch Erkrankte ihre bürgerliche Existenz zertrümmern und ihre Angehörigen chronisch in Angst und Schrecken oder zumindest in Daueranspannung versetzen. Bedrückend ist häufig, dass es kein einfaches „Da muss doch …“ gibt, denn die fehlende Krankheitseinsicht und die deshalb fehlende Bereitschaft, sich behandeln zu lassen, gehört zu den konstituierenden Merkmalen bei einigen solcher Erkrankungen. Für den Betroffenen selbst oder für dessen Umwelt sind diese Krankheitszustände nur selten unmittelbar gefährlich, womit sich eine Unterbringung, geschweige denn eine Therapie, ohne Einverständnis verbietet.

Die eigentliche Tragik in der Causa Mollath liegt darin, dass sich infolge einer unglücklichen Verkettung von Umständen auch ansonsten völlig nüchtern und klar denkende Menschen von der Existenz einer Verschwörung überzeugen. Nur das Ausmaß variiert – von einer Clique von Steuerbetrügern mit Drähten in die selbstherrliche bayerische Justiz bis hin zu einer Einbeziehung von Ministerien, von den willfährigen Handlangern in der forensischen Psychiatrie bis hin zu den menschenverachtenden Bütteldiensten der Psychiatrie überhaupt und allgemein. Die von Anwälten präsentierten geschickt arrangierten Textfragmente und Interpretationen werden als nicht mehr hinterfragbare Wahrheit aufgenommen – dabei hätte ein Anwalt, der nicht Partei ist, seinen Beruf verfehlt.

Aber ebenso, wie sich die Wucherungen des Wahns wie Schalen um den Kern einer wirklichen oder eingebildeten Kränkung legen können, so kann sich eine Verschwörungstheorie an möglichen Verfahrensfehlern in einem Gerichtsprozess entzünden.

In dieser Sache kann nicht von jedem Beobachter Sachverstand abverlangt werden. Was von denjenigen, die dazu publizieren, verlangt werden kann, ist Augenmaß, Umsicht und Gewissenhaftigkeit. Selbst seriöse Kommentatoren verlieren gelegentlich die Bodenhaftung. So wird einem psychiatrischen Gutachter subtil angelastet, er hätte den „Tatablauf, wie er in den Urteilsgründen steht, nicht unterstellen“ müssen. Statt also den Hergang unbesehen hinzunehmen, hätte er das rechtkräftige Urteil mit seiner eigenen kriminalistischen Expertise verwerfen sollen?

Die Angelegenheit ist zu komplex und in ihren Auswirkungen zu wenig überschaubar, als dass sie eine geeignete Folie für Selbstdarstellungen oder Projektionen einer allgemeinen Unzufriedenheit mit gesellschaftlichen Verhältnissen wäre. Gründliche Aufklärung, gegebenenfalls Revision des Urteils ja – Entlarvung nein.


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